Ob Paradigmenwechsel, Zeitungssterben oder Echtzeit-Web: Die Welt verändert sich, und zwar schneller als je zuvor. Kaum ein Tag vergeht ohne eine Meldung,
- dass wieder eine Zeitschrift oder Zeitung eingestellt wurde und - wenn überhaupt - nur online weiter betrieben wird
- dass das Internet generell und Google im besonderen die klassischen Medien ablösen wird
- dass das Internet neben Computerspielen und virtuellen Welten Schuld an Bildungsverfall und Verrohung der Jugend ist (ersetze vorgenannte Begriffe gegen "Fernsehen") und dass Web 2.0 Dienste wie Facebook und Twitter "die Menschen infantilisieren und unsere Gehirne verformen"
- dass eine Demokratisierung der Medien ansteht und manche Journalisten erbost oder gar in Angst und Schrecken versetzt: Jeder kann nun jederzeit über alles berichten und die ganze Welt liest mit - ermöglicht durch Blogs und Schnatterzirkel Facebook, SchülerVZ, Twitter, MySpace, Socialmedian, XING, Friendfeed und viele andere
Clay Shirky, Professor für Neue Medien an der New York University und Urgestein des Internets, sagt dazu:
"Die Verlage wollen von uns hören, dass die neuen Methoden, Informationen [via Internet] zu verbreiten nur die alte Praxis verbessern anstatt sie abzulösen. Sie wollen angelogen werden."Er schreibt außerdem, dass
"die Menschen, die einfach nur aus dem Fenster schauen und beschreiben, was sie da sehen, momentan behandelt werden, als wären sie total durchgedreht".Was wir Verrückten sehen? 500 Millionen*) Menschen, die z.B. bei Konzerten die Show live mitschneiden, fotografieren und via Twitter/Facebook/YouTube etc. in ihren sozialen Netzwerken verbreiten.
Wer innerhalb der letzten Monate in einem Konzert war, kann dies bestätigen (siehe Foto oben, aufgenommen mit dem iPhone und während des Konzerts auf Facebook hoch geladen. Man beachte die sechs weiteren Handies, die gerade dasselbe tun. Das war eine deutsche Band namens Eisblume in Berlin).
32 Millionen total Durchgeknallte sind Twitter-User (knapp 100.000 davon sind aus Deutschland), die in Häppchen von 140 Zeichen zwitschern, was sie gerade tun, gesehen, gelesen oder erlebt haben. Das ist banal, hilfreich, Horizont erweiternd, informativ, albern, sozial, nervig, altrusitisch oder massiv "special interest" (Wein-Kenner, Katzenfreunde, Strick-Tipps, Star Trek Fans). Und: Über solche Dienste verbreiten sich Nachrichten über Augenzeugen innerhalb weniger Minuten, oft sind diese schneller als CNN, Bild oder oder ntv, manchmal sogar akkurater (manchmal auch Blödsinn - aber das passiert ja auch den Berufsjournalisten ständig - man beachte die Kommentare, die den schlecht recherchierten Artikel korrigieren).
Berühmtes Beispiel: Ein Twitter User war schneller als CNN, sein Foto ging um die ganze Welt, als das Flugzeug in den Hudson stürzte
MIT Professor Henry Jenkins (Comparative Media Studies) zeigt und erzählt im folgenden Video, wie die neuen Medien, Mobilität (Foto Handies, Internet unterwegs) und soziale Netzwerke das Mediennutzungsverhalten verändern, beschleunigen und demokratisieren.
Henry Jenkins über Power of Media im 21sten Jahrhundert und Konvergenz (von niko auf Vimeo)
Demokratisierung der Medien bedeutet nicht nur, dass Menschen miteinander Neues schaffen, vollkommen Fremden helfen oder sich mithilfe des Internets politisch organisieren - interkulturell und über Ländergrenzen hinweg - sondern auch, dass nicht nur eine Handvoll Nachrichtenagenturen und Redaktionen entscheiden, was wichtig ist, sondern wir selbst. Vielleicht ist das die wahre power to the people.
Links zum Thema
- Thomas Knüver: Real existierender Bürgerjournalismus
- Prof. Michael Wesch: An anthropological introduction to YouTube
*) Zahlen: 300 Mio Nutzer bei Facebook, 123 Mio bei MySpace, 32 Mio bei Twitter, macht 455 Mio für die größten sozialen Netzwerke derzeit - zusammen mit den tausenden anderen (Wer kennt wen, StudiVZ, Xing und die aus dem Rest der Welt sind es mindestens 500 Mio, wahrscheinlich eher mehr)
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